001 - Skogen Dynasty by Carolin Wahl

001 - Skogen Dynasty by Carolin Wahl

Autor:Carolin Wahl [Wahl, Carolin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783732020522
Herausgeber: Loewe Verlag
veröffentlicht: 2023-09-12T22:00:00+00:00


19

SANDER

Es war gefühlt mitten in der Nacht, als ich den Gedanken an gesunden Schlaf verwarf und mich dem Vogelkonzert vor meinem Schlafzimmer ergab. Wir waren noch vier Stunden unterwegs gewesen – zu Julies Enttäuschung ohne Bären, Lemminge oder Rentiere –, dafür hatte ich gesehen, wie Norah Wilma unauffällig zur Seite genommen und ihr Hygieneartikel gegeben hatte. Auf Norahs Bitte hin hatte ich ihr Abstand gewährt. Sie wollte allein sein. Ihre Ruhe haben. So gut das in einer Trekkinggruppe eben möglich war, wo sie als Guide fungierte.

Die ganze Zeit geisterte Norahs Frage durch meinen Kopf wie ein schwammiger Traum. Ich erinnerte mich nicht, was ich darauf erwidert hatte. Die Antwort war verpixelt wie ein schlechtes Foto.

Dafür erinnerte ich mich an die Tränen in ihren Augen, die Traurigkeit in ihrem Blick, an die Weichheit ihrer Haut unter meinen Fingerspitzen. Ich erinnerte mich an das Bedürfnis, sie einfach zu trösten, für sie da zu sein.

Und an das überwältigende Gefühl, dass es nicht ausreichen würde.

Keine Umarmung der Welt würde ihr den Schmerz nehmen können, den sie durch den Verlust ihrer Eltern erlitten hatte. Und durch das Geschenk, das ihr so unverhofft in den Schoß gefallen war.

Etwas an Norahs Art brachte meine innere Rastlosigkeit zum Stillstand. Fuck.

Einen Arm hinter dem Kopf verschränkt, blieb mein Blick an der hübschen Deckenvertäfelung hängen und mein Brustkorb hob und senkte sich in einem langen Atemzug. In Norahs Nähe fühlte ich mich wie der größte Hochstapler der Welt. Wenn sie mich ansah, kam es mir jedes Mal so vor, als würde sie mich durchschauen.

Deswegen war ich so gnadenlos ehrlich gewesen. Zu ihr. Und zu mir selbst.

Müdigkeit steckte in meinen Gliedern, weil ich kaum ein Auge zugemacht, sondern mir nur über den gestrigen Tag den Kopf zerbrochen hatte. Mein Schädel brummte.

Dafür duftete alles in dieser Unterkunft frisch gewaschen. Wie ein Berg aus Baumwolle, Jasmin und Lavendel. Die riesigen Kissen mit dem schlichten Blumenmuster waren viel zu weich, aber eigentlich störte mich das nicht. Genauso wenig wie die spartanische Holzeinrichtung, denn alles war mit Liebe dekoriert – eine Wolldecke über dem Stuhl, bunte Trockenblumen aus der Region in einer pastellgrünen Vase, gemütliche Vorhänge.

Kos. Ein Wort, an das ich lange nicht mehr gedacht hatte, wenn ich in einem der schicken Hotelzimmer irgendwo auf der Welt übernachtet hatte. Oder auch zu Hause. Es war eher immer das Gegenteil von kos – oder hyggelig – gewesen.

KOSGEN, der Name unseres Familienunternehmens, besaß nicht ohne Grund diese einfachen drei Buchstaben, die eine so tiefe Bedeutung hatten. Ein Anagramm aus unserem Nachnamen. Simpel und doch clever.

Ich zwang mich aufzustehen, öffnete ein Fenster und ließ die klare Bergluft hereinströmen. Um die Bäume am Waldrand waberte noch der Morgennebel und draußen war es erstaunlich warm.

Es war sechs Uhr, stellte ich mit einem Blick auf mein Handy fest. Ich zögerte. Bisher hatte ich es nicht gewagt, hinter den Vorhang zu schauen, wo sich mein eigentliches Leben abspielte. Hier war es anders.

Eine andere Zeitrechnung. Eine andere Währung.

Als ich nun zum ersten Mal nach zehn Tagen wieder auf sämtliche Social-Media-Kanäle schaute, sackte mir das Herz in den Magen.



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